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Raoul Hausmann: HYLE - Ein Traumsein in Spanien
Erschienen 16.07.2011 auf BR Hörspiele Podcast
Mit Marijam Agischewa, Axel Milberg, Bernhard Schütz, Michèle Tichawsky / Komposition: zeitblom / Bearbeitung und Regie: Michael Farin / BR 2007 / Länge: 78'22 // Am 28. März 1933 trifft Raoul Hausmann auf der Flucht aus Nazi-Deutschland mit Ehefrau Hedwig Mankiewitz und Geliebter Vera Broido auf der Baleareninsel Ibiza ein. „Unter Stössen gegend Windes schwebt schwankend Schiff hebend, senkend zwischen schwarzen langsam steigenden Wasserballen in Wasserhöhlen abfallender Metallfisch, brüllend Schiffschraube überpolternd den Wind, anpressend gegen Anlauf, Aufstauf, unter sternsprenkelnder Nachtbläue. Mitternachtblau, drin schlingert Dampfer ‚Ciudad de Mahon’ südlich, der Isla blanca entgegen.“ Verlassen wird er die Insel, wegen des anbrechenden Spanischen Bürgerkrieges, am 16. September 1936. Das ‚Traumsein in Spanien’ war mittlerweile zum Alptraum geworden. Multiperspektivisch, fluktuierend erzählt Hausmanns kaum verhüllter Schlüsselroman von dieser Zeit. Zunehmend verflüchtigt sich dabei die Wirklichkeit, Fiktionalisierung tritt an ihre Stelle: Der eindeutig mit Hausmann zu identifizierende Ich-Erzähler verwandelt sich in den kryptischen ‚Gal’, Hedwig Hausmann, zweite Gattin des Künstlers, ist hinter der ‚Kleinen’ erkennbar, Vera Broïdo, Geliebte der Jahre 1927-34, schlüpft in die Figur des Kind-Weibs ‚Ara’. Mit diesem Hin-und-Her-Gleiten zwischen Realität und Fiktion wird Hyle zu einer Art ‚Traumbuch’ und ‚autobiographischem Mythos’, wie Hausmann selbst über sein Buch sagte. Sein Buch und auch die Hörspielproduktion sind der Versuch einer ‚progressiven Universalpoesie’, eines ‚Anti-Romans’ mit romantischer Stoßrichtung. Momente eines Anti-Entwicklungsromans, entstanden aus dem Überdruss an diesen ‚stagnierenden’ Geschichten, „deren letztes Wort man schon kennt, wenn man das erste gelesen hat“, verquicken sich mit einer identitätssuchenden ‚Expedition ins eigene Leben’. Die Handlung beginnt mit dem Aufbruch in eine völlig fremde Welt und entfaltet sich vor der Folie der drei – laut Hausmann – Kardinalthemen Liebe, Gemeinschaft und Gesellschaft um Emigrantenschicksal und Naturverbundenheit. An ihrem Ende steht der unwiederbringliche Verlust der Geliebten, das Chaos des spanischen Bürgerkriegs und die neuerliche Flucht. Hyle entwickelt keine Utopie des freien Insel-Daseins, sondern macht das Leben als Geflecht von Tag- und Nachtträumen, Wunsch- und Angstträumen fassbar, im Widerspiel von subjektivem Erkenntnisdrang und objektiver Unerkennbarkeit der Welt. Carlfriedrich Claus, Hausmanns Briefpartner der 1960er Jahre, schrieb über Hyle: „Diese Deine ‚Prosa’ ist nicht ausschließlich statisch bestimmte, lediglich rindengesteuerte ‚Sprache’, sondern sie ist SPRECHEN. Aus dem GESAMTEN Mikrokosmos Mensch, ja, nicht nur ihm, denkendes, empfindendes, wachsendes, auseinanderbrechendes, hindurchdrängendes, bauendes, wirbelndes, erinnerndes, vorspürendes SPRECHEN.“ Die Hörspielproduktion verbindet dieses Sprechen mit der Komposition Zeitbloms, mit filigranen Instrumentalspuren, elancholischen Cello-Melodien, fragilem Schlagzeug und kargen Gitarrendetails. Hörspiel Dauer: 01:18:41