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Michael Lentz: Exit
Erschienen 27.06.2008 auf BR Hörspiele Podcast
Mit Michael Lentz, Konrad Kellen / BR 2005 / Länge: 53'58 // EXIT - das Hörspiel als Erinnerungs- und Vergegenwärtigungsmaschine, als Osmose zwischen "Exil" und "Exit". Beschreibungsmomente lösen Rückfragen aus, eine Erzählstimme streitet sich mit sich selber über die ‚richtige’ Beobachtung, über den immer wieder zu vergegenwärtigenden Augenblick, der gleichzeitig einen Gesamtzusammenhang verlangt. Auslöser ist ein Besuch bei Konrad Katzenellenbogen (geb. 1913), der seit vielen Jahrzehnten unter dem Namen Konrad Kellen in Amerika (Pacific Palisades) lebt. 1933 ist Kellen aus Deutschland emigriert, 1935 gelangte er nach New York. Von 1941 bis 1943 war Kellen Privatsekretär von Thomas Mann. In dieser Zeit schrieb er u. a. das Manuskript von Joseph der Ernährer mit der Schreibmaschine ab und war für Thomas Mann osmotischer Gesprächspartner. Bis auf einen kurzen Besuch vor Jahrzehnten ist Kellen nicht mehr in Deutschland gewesen. Konrad Kellen erzählt. Ununterbrochen. Nach langem Erzählen der bemerkenswerte Satz: „Aber was könnte ich Ihnen denn erzählen?“. Immer wieder die Frage „Was macht Deutschland?“ Was sagt man da? Kellen transportiert ein Deutschlandbild aus gesättigter Erinnerung, die fixiert bleibt, amerikanischer Kolportage, Exilantenberichten, Korrespondenzen und unwillkürlicher Imagination. Im Gegenüber eines Zuhörenden (der Zuhörer des Hörspiels) findet Kellen Stimulanz zu variierter Berichterstattung desselben Sachverhalts, derselben Mutmaßung. Einen ganzen Erinnerungskosmos breitet er aus, fest gespeicherte, präsente, unverlierbare Erinnerungsinseln, die er, je nach Erkenntnisinteresse, dergestalt miteinander vernetzen kann, dass die Geschichte jedes Mal um etwas bereichert wird, jedes Mal erscheint sie anders, jedes Mal ist es dieselbe variierte Geschichte, unterschiedlich ausgeleuchtet. Die Ich-Stimme des Hörspiels wird aufgebrochen in mindestens zwei weitere Stimmen: eine Ich-Korrekturstimme und einen Kommentator. Der Kommentator soll spontan kommentieren. Dies soll möglichst im Studio während der Produktion geschehen. Der Kommentator hat auch die Aufgabe, O-Töne einspielen zu lassen. Auf seinen Wunsch hin wird eine Kellen-Äußerung wiederholt, werden Straßenszenen aus Chicago eingespielt etc. So entsteht ein Wechselspiel der Stimmen. Erinnern, Vergessen, Gedächtnis, Sprache, Tod bilden die „akustische Zentrifugale“ des Hörspiels. Hörspiel Dauer: 00:54:17