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Michael Farin: Mir geht nichts über mich! Oder: Wie sich Max Stirner die Welt dachte
Erschienen 30.12.2016 auf BR Hörspiele Podcast
Mit Nadeshda Brennicke, Marijam Agischewa, Gert Heidenreich, Jens Harzer, Wolfgang Hess / Komposition: zeitblom / Regie: Michael Farin / BR 2006 / Länge: 55'50 // Eine Kampfansage, eine Attacke war es, was Johann Caspar Schmidt im Jahre 1844 unter dem ominösen Autornamen Max Stirner und mit dem kryptischen Titel "Der Einzige und sein Eigentum" veröffentlichte. „Was soll nicht alles Meine Sache sein! Vor allem die gute Sache, dann die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, der Freiheit, der Humanität, der Gerechtigkeit; ferner die Sache Meines Volkes, Meines Fürsten, Meines Vaterlandes; endlich gar die Sache des Geistes und tausend andere Sachen. Nur Meine Sache soll niemals Meine Sache sein.“ Wohl niemals zuvor hatte ein Philosoph ‚seine Sache’ mit einer solchen Ausschließlichkeit auf sich selbst zu stellen gewagt: „Jedes höhere Wesen über Mir, sei es Gott, sei es der Mensch, schwächt das Gefühl meiner Einzigkeit und erbleicht erst vor der Sonne dieses Bewußtseins.“ Die Reaktion folgte auf dem Fuße. Max Stirner erntete Häme, Hohn, Spott. ‚Heiland der Einzigkeit’ nannte man ihn, oder kurzerhand, wie Karl Marx und Friedrich Engels, ‚Sankt Max’. Immerhin widmeten die beiden Urväter des Kommunismus dem Urvater des individualistischen Anarchismus über 300 Seiten ihres Werkes Die deutsche Ideologie. Darin exemplifizierten sie ihre These, dass den Menschen „die Ausgeburten ihrer Köpfe über den Kopf gewachsen seien.“ Max Stirner scheint die schlimmsten Einschätzungen zu rechtfertigen, denn er hebelt mit seinem Hauptwerk nicht nur altgewohnte Denkstrukturen aus, er stellt auch jede gesellschaftliche, jede moralische Kategorie in Frage: Ich „bin durch Mich berechtigt zu morden, wenn Ich Mir’s selbst nicht verbiete.“ Ein Zernichter der Welt also? Albert Camus jedenfalls beschreibt ihn als einen ‚nihilistischen Rebellen’ im Rausch der Zerstörung: „So kündet auf den Ruinen der Welt das trostlose Lachen des königlichen Individuums den letzten Sieg des Geistes der Revolte.“ Stirner lässt sich aber ebensogut auch, wie in diesem Hörspiel, als Gastgeber eines Fests der Begriffe begreifen, als ein Jongleur der Bedeutungen, ein gewiefter Experte des Lebens, als einer, der mit seinem Dämon d’accord ist. Dank der Musik von Zeitblom verschmelzen seine Sätze dann mit denen von Hegel, Marx/Engels und Panizza zu einem Blues mit wechselnden Mustern und Schatten, perkussiven Schrägheiten, Gitarrenriffs, elektronischem Flirren, tiefen Dub-Bässen, wechselnden Tempi und Tonarten, zu einer seltsamen undurchdringlichen Mixtur – zu einem Wort/Welt-Gewitter. Hörspiel Dauer: 00:56:15